22.08.2024

Patientennews/Veranstaltungen

Interview in der MEDPERTISE mit Dr. med. Thomas Ambacher zur Therapie eines Tennisarms

Dr. med. Thomas Ambacher ist Chefarzt der Schulter- und Ellenbogenchirurgie in der ATOS Klinik Stuttgart. Zu seinen Schwerpunkten gehören orthopädische Erkrankungen und Verletzungen des Schulter- und Ellenbogengelenkes. Auf diesem Gebiet besitzt er eine 20-jährige Erfahrung mit rund 16.000 Eingriffen. Außerdem ist er spezialisiert auf Sportverletzungen der Sehnen und Bänder an Sprunggelenk und Kniegelenk sowie auf Knochenbrüche an Schulter-, Ellenbogen-, Hand-, Knie- und Sprunggelenk. Die MEDPERTISE traf sich mit unserem Spezialisten zu einem interessanten Interview...

Der Tennisarm, auch Tennisellenbogen genannt, ist eine entzündliche Überlastungsreaktion der Sehnenansätze der Streckmuskulatur, die durch mechanische Überlastung hervorgerufen wird. Er tritt nicht nur bei Tennisspielern auf. Die typische Symptomatik besteht aus Schmerzen beim Greifen und einem lokalen Druckschmerz am äußeren Oberarmknochen und wird meist nicht operativ behandelt. Die Behandlung mit einer Stoßwellentherapie kann die Heilung deutlich beschleunigen und wird häufig in Kombination mit Dehnungs- und Entspannungsübungen der Muskulatur eingesetzt.

Was ist ein Tennisarm bzw. Tennisellenbogen und wie entsteht er? Warum heißt es Tennisarm?
Dr. Ambacher: "Beim Tennisarm handelt es sich um eine entzündliche Überlastungsreaktion der Sehnensätze der Streckmuskulatur am äußeren knöchernen Rand des Oberarmes. Teilweise ist auch zusätzlich die Streckmuskulatur druckschmerzhaft. Die Erkrankung entsteht in den meisten Fällen durch eine mechanische Überlastung der Muskulatur. Die Bezeichnung hat sich eingebürgert, weil die Erkrankung vor langer Zeit bevorzugt bei Tennisspielern beschrieben wurde. Aktuell ist es so, dass die überwiegende Zahl der Patientinnen und Patienten keinen Tennissport betreibt. Die Beschwerden werden durch andere Überlastungsfaktoren provoziert."

Welche typischen Symptome treten bei einem Tennisarm auf?
Dr. Ambacher: "Typische Symptome sind Schmerzen bei Greifbelastungen mit der Hand, z. B. bei handwerklichen Arbeiten, beim Aufdrehen von Flaschen, dem Heben und Tragen von schweren Gewichten. Es besteht ein lokaler Druckschmerz am äußeren Knochenhöcker des Oberarmes. Die Streckmuskulatur ist teilweise verspannt und schmerzhaft bei Druck und Dehnung. In fortgeschrittenen Stadien findet man teilweise auch lokale Schwellungen der Weichteile."

Wie unterscheidet sich der Tennisarm von ähnlichen Erkrankungen?
Dr. Ambacher: "Nicht jeder Schmerzzustand an der äußeren Seite des Ellenbogens ist ein Tennisarm. Im günstigsten Fall können schmerzhafte Muskelverspannungen ohne eine entzündliche Reaktion des Sehnenansatzes vorliegen. Es gibt aber auch Ursachen im Ellenbogengelenk, die ähnliche Symptome wie ein Tennisarm hervorrufen. Dies können z. B. Knorpelschäden im Gelenk, Schleimhautfalten oder auch Instabilitäten des Gelenkes sein, die anlagebedingt sein können oder auch durch Unfallereignisse hervorgerufen werden, die dann teilweise schon länger zurückliegen, sodass sich der Patient gar nicht mehr daran erinnert. In seltenen Fällen führen auch Prellungen durch Sturzereignisse oder direktes Anschlagen zu ähnlichen Beschwerden."

Wie kann man unterscheiden, ob es sich um einen Tennisarm oder um eine Sehnenscheidenentzündung handelt?
Dr. Ambacher: "Sehnenscheidenentzündungen verursachen eher Beschwerden, die in der Nähe des Handgelenkes lokalisiert sind und durch Streck- und Beugebewegungen der Finger und des Handgelenkes provoziert werden können. In der Regel bestehen hier keine Beschwerden in der Region um das Ellenbogengelenk. Man findet dann auch eher nicht den typischen Druckschmerz am äußeren Oberarmhöcker. Es gibt aber auch Patienten, bei denen beide Erkrankungen kombiniert vorliegen."

Welche Sportarten, Berufe oder tägliche Aktivitäten bringen ein erhöhtes Risiko für einen Tennisarm mit sich?
Dr. Ambacher: "Ein erhöhtes Risiko zur Provokation einer Tennisarm-Erkrankung besteht immer dann, wenn viel mit den Händen gearbeitet wird. Dies müssen nicht immer anstrengende Tätigkeiten mit hohen Gewichten sein. Die Erkrankung kann auch bei leichten Tätigkeiten auftreten, wenn stundenlang die Streckmuskulatur belastet wird, z. B. auch bei Schreibarbeiten in ungünstiger Stellung des Armes, beim Spielen von Musikinstrumenten oder Ähnliches."

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es für einen Tennisarm?
Dr. Ambacher: "Die Behandlung ist zunächst grundsätzlich nicht operativ. Operationen sind nur in wenigen Ausnahmefällen notwendig und sinnvoll, vor allem dann, wenn die Ursachen der Beschwerden im Ellenbogengelenk liegen oder größere anatomische Schäden der Strecksehnen eingetreten sind. Die Behandlung sollte systematisch erfolgen und beinhaltet, neben einer ausführlichen Information für den Patienten, Dehnungsübungen, entspannende Maßnahmen für die Muskulatur, eine stabilisierende Bandage, die tagsüber getragen wird, sowie Schonung mit Reduktion der auslösenden Belastung."

Wann kommt die Stoßwellentherapie zum Einsatz?
Dr. Ambacher: "Die Stoßwellentherapie ist am Ellenbogengelenk immer sinnvoll und beschleunigt die Heilung der Erkrankung bei den meisten Patienten erheblich. 6 bis 9 Behandlungen im Abstand von etwa einer Woche sind sinnvoll in Kombination mit den zuvor genannten Maßnahmen. Wir verwenden eine kombinierte Therapie mit 5000 bis 6000 Impulsen radialer Stoßwellen und 2000 bis 4000 Impulsen fokussierter Stoßwellen pro Behandlung mit maximaler Energie, die vom Patienten gerade noch toleriert wird."

Was kann man selbst zu Hause tun, um Symptome zu lindern und die Genesung zu unterstützen?
Dr. Ambacher: "Die Behandlung beinhaltet grundsätzlich die Anleitung zu Eigenübungen und Eigenbehandlungen, die mehrmals täglich durchgeführt werden sollen. Lokale Wärmeanwendungen der Streckmuskulatur, die Behandlung mit einem Faszienball, Dehnungsübungen und die Anleitung zur allgemeinen Belastungsreduktion der Hand und des Unterarmes inkl. der Prüfung der Situation am Arbeitsplatz."

Wie lange dauert die Genesung eines Tennisarms? Ist eine Heilung auch ohne Behandlung möglich?
Dr. Ambacher: "Die Prognose der Erkrankung ist grundsätzlich gut, die Verläufe sind teilweise aber sehr langwierig, da sich die Patienten häufig erst verzögert zur Behandlung vorstellen, wenn Beschwerden schon lange bestehen und der Entzündungsprozess bereits chronifiziert ist. Die Behandlungsdauer weist dann eine große Streubreite von 3 bis 9 Monaten auf. Sofern die Beschwerden innerhalb von 2 bis 3 Monaten nicht deutlich reduziert werden können, sollte eine MRT-Untersuchung des Ellenbogens erfolgen, um größere anatomische Schäden der Sehnenansatzzone auszuschließen. In diesen Fällen muss man auch immer an auslösende Faktoren denken, die im Gelenk liegen."

Wie beeinträchtigt ein Tennisarm Betroffene in ihrem Alltag?
Dr. Ambacher: "Im Alltag haben die Patienten Schmerzen bei Belastung der Hand durch Greifen und Anheben von Gegenständen – oft schon mit geringen Gewichten, wie z. B. einer Kaffeekanne. Teilweise besteht auch eine endgradige Einschränkung der Streckfähigkeit des Gelenkes. Lokale Beschwerden äußern sich beim Berühren oder Anstoßen des Sehnenansatzes am Oberarm. Teilweise bestehen auch ausstrahlende Schmerzen in die Muskulatur auf der Streckseite des Unterarmes."

Wann ist eine Operation bei einem Tennisarm notwendig und was passiert bei der OP?
Dr. Ambacher: "Eine Operation ist nur in wenigen Fällen erforderlich. Ausgeschlossen werden sollten bei länger bestehenden Beschwerden aber immer die bereits erwähnten sonstigen Ursachen im Gelenk oder größere Schäden des Sehnenansatzes. Operative Maßnahmen kommen in Betracht, wenn trotz systematischer nicht-operativer Therapie über 6 bis 9 Monate inakzeptable Beschwerden fortbestehen.

Bei der Operation wird entweder offen über einen Schnitt die Ansatzzone der Strecksehnen am Oberarm wieder rekonstruiert, das bedeutet, die Sehnenansätze und der Knochen werden angefrischt und die Strecksehnengruppe wieder stabil am Knochen mit Nähten fixiert. Es gibt auch endoskopische Methoden, bei denen der Sehnenansatz vom Gelenk aus mit einer kleinen Fräse angefrischt wird. Dies führt zu einer stabilen Abheilung des Sehnendefektes. Die Ergebnisse sind bei kleineren und mittleren Schäden vergleichbar. Große Sehnendefekte, die auch zu einer Instabilität des Gelenkes führen können, sollten in offener Technik versorgt werden. Empfehlenswert ist aber immer eine arthroskopische Untersuchung des Gelenkes zum sicheren Ausschluss von Schäden im Gelenk und einer evtl. ursächlichen Gelenkinstabilität. Dies ist häufig durch die Untersuchung nicht sicher festzustellen."

Welche Tipps haben Sie, um das Risiko für einen Tennisarm zu minimieren oder gar zu verhindern?
Dr. Ambacher: "Risikopatienten mit hoher Belastung der Hand und des Unterarmes können regelmäßig Dehnungsübungen und die bereits beschriebenen entspannenden Maßnahmen für die Streckmuskulatur durchführen. In der Regel ist es aber so, dass man sich ohne Leidensdruck durch entsprechende Beschwerden im Alltag auch keine Zeit für solche Maßnahmen nimmt. Außerdem könnte ein Auftreten der Krankheit dadurch nicht sicher verhindert werden."

Welche neuen Erkenntnisse zur Behandlung und Vorbeugung eines Tennisarms gab es in den letzten Jahren?
Dr. Ambacher: "Es hat sich durch die Verbreitung der Arthroskopie im Ellenbogengelenk herausgestellt, dass bei therapieresistenten Beschwerden häufig Verschleißprozesse im Gelenk oder Instabilitäten die Symptome hervorrufen. Ebenso haben sich in letzter Zeit Anhaltspunkte ergeben, dass Cortison-Injektionen in die Sehnen des Ellbogens zu erheblichen Sehnenschäden führen können. Wir führen daher keine Injektionen mit Cortison mehr durch.

Danke an die MEDPERTISE!