22.01.2019 - PD. Dr. Frank Martetschläger im Gespräch über die aktuellsten Entwicklungen bei Diagnosen rund um die Gelenke Schulter & Ellenbogen

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Golferellenbogen, Kalkschulter, Impingmentsyondrom...

Golfmedizin Dr. Martetschläger München

In der Nähe des Arabellaparks in München, besuchte das Sportmagazin GOLFMEDICO in der ATOS Klink München den Schulter- und Ellenbogen-Spezialisten Dr. Frank Martetschläger:

Eine kräftige und gut 
balancierte Muskulatur
ist der Schlüssel zum Erfolg 
und schmerzfreien Spiel.


 

GOLFMEDICO: Auf Ihrer Patientenliste finden sich allerlei renommierte Sportler aus unterschiedlichsten Sportarten. Welche zählen Sie zu den gefährlichsten in Sachen Schulter- und Ellenbogenverletzung?

PD Dr. med. Martetschläger: Akut gefährlich sind für die Schulter und den Schultergürtel v.a. Sportarten mit hoher Rasanz, bei denen es gehäuft zu Stürzen auf das Schultergelenk kommt. Hier stehen Sportarten wie Mountainbiken, Skifahren und Snowboarden aber auch Kontaktsportarten wie Eishockey im Vordergrund. Im Rahmen eines Sturzereignisses kann es hier, je nach Traumamechanismus, zu Knochenbrüchen der Schulter oder Auskugelungen (Luxationen) des Schulter- bzw. Ellenbogengelenkes kommen. Aber auch Sportarten mit repetitiven Bewegungsabläufen können zu einem Ungleichgewicht der Muskulatur und Kapsel-Band-Strukturen und dadurch  mit der Zeit zu Schädigungen des Gelenkes führen.

Golf scheint ja nicht in den Top 3 zu agieren. Ist der Golfsport durch die Überkopfbewegung beim Drehschwung nicht besonders prädestiniert für Verletzungen? Welche Verletzungsmuster sind im Golfsport häufig?

Golf ist ein gutes Beispiel für die zuletzt erwähnte Gruppe der Verletzungsursachen. Tatsächlich kann es auch durch den Golfsport zu erheblichen Problemen im Bereich der Schulter oder des Ellenbogens kommen. Der Verletzungsmechanismus ist hier natürlich ein anderer. Durch die repetitiven Bewegungen beim Golfschwung kann es zu chronischen Überlastungen von Sehnen und Bändern bis hin zu Einrissen an selbigen kommen.

Was genau ist ein Riss der Rotatorenmanschette, eine »Kalkschulter«, oder ein Engpass-Syndrom? Wie wird so etwas heutzutage behandelt? Ist das alles minimalinvasiv zu lösen?

Sie sprechen hier häufige Pathologien im Bereich der Schulter an, die nicht nur, aber natürlich auch Golfspieler treffen können.

Die Rotatorenmanschette der Schulter besteht aus vier Sehnen, welche für die Zentrierung des Schultergelenkes und einen reibungslosen und kraftvollen Bewegungsablauf der Schulter verantwortlich sind. Kommt es durch einen Unfall oder durch chronische Überlastung zu Abrissen der Sehnen vom Knochen, spricht man von einem Riss der Rotatorenmanschette. Diese können zu anhaltenden Schmerzen sowie zu ausgeprägten Funktionseinschränkungen bis hin zum Funktionsverlust im Bereich der betroffenen Schulter führen.

Ein Engpass- oder Impingement- Syndrom beschreibt die Einengung von Anteilen der Rotatorenmanschette zwischen dem Oberarmkopf und bestimmten Anteilen des Schulterblattes, zumeist des Schulterdaches. Diese Enge kann im Laufe der Zeit zu Entzündungen des Schleimbeutels und der Sehnenanteile bis hin zum Riss der Sehnen führen. 

Eine Kalkschulter, bei der sich in einer Sehne der Rotatorenmanschette ein Kalkdepot gebildet hat, führt ebenfalls zu einer Entzündung des Schleimbeutels und kann bisweilen zu stärksten Schmerzen in der Schulter führen. Sollte die konservative Therapie hier nicht anschlagen, können diese Probleme heute arthroskopisch also in »Schlüssellochtechnik« operativ behandelt werden. 

Das höhere Durchschnittalter der Golfer ist im Hobbysport faktisch vorhanden. Was ist der aktuelle Stand hinsichtlich einer Schulter-Arthrose? 

Golfspieler bemerken eine Arthrose im Schultergelenk häufig früher als Leute, die kein Golf spielen, da sie ihren Schwung nicht mehr komplett und damit nicht mehr korrekt und schmerzfrei ausführen können. Dies liegt daran, dass mit fortschreitender Arthrose die Beweglichkeit des Gelenkes, v.a. auch für die Rotation abnimmt. Im Rahmen der konservativen Therapie ist es entscheidend, die Beweglichkeit mittels Dehnungsprogrammen zu verbessern oder zu erhalten und die Muskulatur zu stärken, damit das Gelenk stabilisiert werden kann. Vor dem Golf spielen sollte ein konsequentes Aufwärm- und Dehnungsprogramm erfolgen. Das wird nicht besonders gerne realisiert, ist aber für den möglichst langen Erhalt von Beweglichkeit und Funktion essentiell.

Heutzutage werden in 
Deutschland jährlich 25000 
Schulterprothesen eingesetzt.

Wenn alles zu spät ist, setzen Sie auch Prothesen ein. Können Sie uns hier aktuelle Informationen zu Erfolgen und Fallzahlen geben?

Im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung lassen Schmerz und Funktionseinschränkung kein Golfspielen mehr zu. Hier kann die Implantation eines künstlichen Gelenkes, ähnlich wie am Knie- oder Hüftgelenk, zum Wiedererlangen der Funktion und Schmerzfreiheit indiziert sein. 

Heutzutage werden in Deutschland jährlich ca. 25.000 Schulterprothesen eingesetzt. Die rasante Entwicklung hat dabei deutlich zur Verbesserung der Operationsergebnisse beigetragen. Vor allem schaftfreie, nicht zementierte Humeruskopfprothesen haben sich in den letzten Jahren sehr erfolgreich etabliert. Die Patienten können in der Regel ca 8,5 Monate nach Operation zum Golfsport zurückkehren und profitieren dabei von einer verbesserten Funktion und Schmerzfreiheit.

Welche Sehnen spielen eine Rolle im Schulterbereich? Als Laie sagt man bei Schmerzen ja schnell, man habe sich eine Sehne gereizt...

Wie oben bereits erwähnt spielt an der Schulter hauptsächlich die Rotatorenmanschette mit ihren vier Muskel- und Sehneneinheiten eine entscheidende Rolle für die Funktion. Auch die lange Bizepssehne kann bei Entzündung oder Instabilität zu Schmerzen führen. Sollten Beschwerden, die als »Reizung« interpretiert werden, länger als vier Wochen anhalten, gilt es einen Orthopäden aufzusuchen, um eine Schädigung (Ruptur) der Sehnen auszuschließen. 

Eine Ruhigstellung beim 
Golferellenbogen geht mit 
dem Risiko einer Versteifung 
des Gelenkes einher.

Der Golfer neigt ja eher dazu, seine Probleme zur Behandlung in den Winter zu schieben. Zählen Schulterprobleme eher zu den rasch zu fixenden Problemen? Können Sie uns eine grobe Übersicht je Diagnose/Behandlung über die zu erwartenden Aufenthaltsdauern bei OP und Reha nennen? Selbstverständlich ohne Gewähr...  

Inwieweit eine Operation zeitnah erfolgen sollte hängt stark von der Ausdehnung der Verletzung ab. Bei der Verletzung der Rotatorenmanschette kann ein zu langes Abwarten beispielsweise zu einer Atrophie der Muskulatur mit bleibender Funktionseinschränkung oder eingeschränkter Möglichkeit der Rekonstruktion führen. Daher sollte die Abklärung und Vorstellung beim Spezialisten eher frühzeitig erfolgen.

Kleine Eingriffe an der Bizepssehne oder bei gesichertem Engpass-Syndrom mit Schleimbeutelentzündung können ambulant erfolgen. Der Klinikaufenthalt beträgt bei arthroskopischen Eingriffen an der Rotatorenmanschette 1-3 Tage, bei Implantation einer Prothese 4-5 Tage. Die anschließende Rehabilitationsphase ist mit 3-5 Monaten einzuplanen. Eine Rückkehr zum Golfsport ist bei den kleinen arthroskopischen Eingriffen (z.B. Bizepssehne) nach 2-3 Monaten, bei Rekonstruktion der Rotatorenmanschette nach 5-6 Monaten und bei Implantation einer Prothese nach ca. 6-8 Monaten wieder möglich. 

Kommen wir zu dem Lieblingsthema der Golfer: dem Golferellenbogen. Gefühlt hat jeder zweite schon einmal damit Probleme durchlaufen. Können Sie eine Übersicht über Ursache, Prävention, Diagnose und Behandlung geben? Beginnend mit der Prävention und Ursache. Ist der Golfer selbst Schuld, weil er sich nicht aufwärmt? 

Eher, weil er zu viel spielt (lacht). Bei chronischen Über- oder Fehlbelastungen der Streck- und Beugemuskulatur kann es im Ansatzbereich der Sehnen am Ellenbogen zu entzündlichen Veränderungen bis hin zum Einriss der Sehnenplatte kommen. Die schmerzhafte Veränderung der Sehnen auf der Innenseite des Ellenbogens kommt durch Überlastung der Beugemuskulatur des Unterarmes und wird als »Golferellenbogen« bezeichnet. 

Derartige Sehnenansatzprobleme können nicht nur durch Überbelastung sondern auch durch Muskelschwäche oder Dysbalance, falsche Schläger (Griffstärke, Gewicht etc.) oder falsche Technik (zu starke Handgelenkseinsatz etc.) hervorgerufen werden.

Diese Veränderung kann bei weitem nicht nur Golfer treffen sondern tritt auch bei Tennisspielern oder Klettersportlern gehäuft auf. Als Prävention sollte auf gezielte Dehnungsprogramme vor Sportantritt und sorgfältiges Muskeltraining geachtet werden, das auch immer die antagonistische Muskulatur (Gegenspieler) besonders in den Fokus der Therapie mit einbezieht.

Wenn es nun feststeht, hilft dann nur noch ruhig stellen? Wie behandelt man den Golferellenbogen heutzutage? 

Nein. Eine Ruhigstellung am Ellenbogen ist meist nicht notwendig und geht bei längerer Dauer mit dem Risiko einer Einsteifung des Gelenkes einher. In den meisten Fällen kann der Golferellenbogen erfolgreich konservativ behandelt werden. Dabei müssen die schmerzauslösenden Belastungen vermieden werden – also kein Golfspielen – und es kommen die o.g. Dehnungsübungen und das gezielte Muskelkräftigungsprogramm zum Einsatz. Unterstützend können Stoßwellenbehandlungen oder eine Eigenbluttherapie (ACP) zur Anwendung kommen. Nur in seltenen Fällen wird eine Operation notwendig, bei der das degenerierte Sehnengewebe entfernt und die Sehne dann am Knochen wieder fixiert wird.

Eine Abschlussfrage, da Sie viel mit Profisportlern zu tun haben. Sind die Verletzungsmuster ähnlich wie bei weniger trainierten Amateuren?

Absolut. Auch und gerade beim Profisportler kann es durch die langjährige Belastung oder gar Überlastung und repetitive Mikrotraumata zu einem muskulären Ungleichgewicht sowie daraus resultierende Engpass-Syndrome und Verletzungen im Bereich der Sehnenansätze kommen. Im Vergleich zum Amateursportler kann der Profi derartige Probleme durch den guten Trainingszustand der Muskulatur häufig besser bzw. länger kompensieren. 

Wir danken für dieses informative Gespräch und wünschen einen gesunden Saisonstart!