20.05.2024

Patientennews/Veranstaltungen

Interview in der Golfmedico mit unserem Fußspezialisten Dr. Markus Preis

Wir trafen Dr. Markus Preis in Wiesbaden zu einem Gespräch über die medizinisch sinnvolle Vorbereitung beim Kauf eines neuen Golfschuhs.

Vor dem Gespräch werde ich in einen „Vermessungsraum“ geführt. Dort steht ein modernes „DIERS-System“. Das ist ein 4-dimensionales Messlabor. Hier wird die gesamte Statik des Bewegungsapparates vermessen. Mit lichtoptischen Messverfahren werden die Beinachsen, die Stellung der Wirbelkörper zueinander, die Beckenstellung und auftretende Instabilitäten vermessen – statisch und dynamisch! Für die statische Vermessung stehe ich, für die dynamische gehe ich in Gehgeschwindigkeit auf dem Laufband (die Messung ist auch im Laufen bis 12 km/h möglich). Das Abrollverhalten des Fußes wird gleich mit erfasst; die Druckmuster des Fußes werden in einem separaten Messkasten verfolgt. Das Ganze dauert keine 15 Minuten und ich habe ein komplexes Bild meines Bewegungsablaufs. Faszinierend.

Faszinierend auch, dass mich Dr. Preis direkt fragt, ob ich in der letzten Golfsaison Probleme mit der rechten äußeren Hüfte und dem Sprunggelenkansatz/Achillessehne hatte. Ich bejahe, zumal ich nach der Ruhephase nach einer Golfrunde beim Aufstehen eine Art „Muskelkater“ im Fußbereich verspüre. Mal sind es die Fersenansätze, mal das vordere Sprunggelenk. Außerdem habe ich unregelmäßig einen dumpfen Schmerz an der rechten Außenseite, der sich wie eine Überlastung anfühlt. Ich schob das immer auf die Sommersaison mit relativ vielen Morgenrunden Golf.  Doch weit gefehlt: Der Doc erklärt mir die Auswertung meiner „Fehlstellung“, die übrigens optisch ähnlich ernüchternd ist wie eine Trackman-Aufnahme des eigenen Schwungs. Vor dem inneren Auge schwingt man athletisch wie Dustin Johnson und hat einen Gang wie ein schwebender Gepard. Doch die Realität klingt so: „Sie haben einen Hohl-Senkfuß, der sich in der Gangbewegung einen Weg nach innen bahnt.“ Und weiter: „Vor allem rechts ist er stark ausgeprägt, was im Laufe der Zeit dazu geführt hat, dass sich die Bewegungskette nach oben angepasst hat. Erstaunlicherweise gleicht man das im Becken nicht aus, sondern hat einseitig einen etwas höheren Schulterstand.“ Rumms. Aber er hat recht: Wenn ich mir die Bilder anschaue, sehe ich aus wie der schiefe Turm von Pisa. Wow, da muss ich ran! Also rein ins Gespräch …

Golfmedico: Herr Dr. Preis, wenn ich das alles so sehe, denke ich mir: „Kein Schuhkauf mehr ohne korrekte Analyse“, oder?

Dr. Preis: Ja, denn wir alle neigen dazu, erst dann hinzuschauen, wenn der Bewegungsapparat schon Probleme macht. Prävention ist ganz entspannt möglich, aber kaum jemand nutzt sie. Ein Jugendlicher wird im Sportbereich noch untersucht und oft auch vermessen – im Erwachsenenalter gerät das in Vergessenheit.

Das fängt bei so einfachen Dingen wie der richtigen Schuhgröße an: Ist sie zu eng, kann sich das bis in die Wirbelsäule auswirken. Wird die Abrollbewegung unbewusst gehemmt, erhöht sich der Druck auf die Vorfußköpfchen und die Mittelfußknochen. Diese Kette setzt sich bis zum Knie und zur Wirbelsäule fort, denn der Fuß ist das Fundament unseres Körpers. Der Witz dabei ist, dass eine kurze Analyse nicht mehr kostet als ein handelsüblicher Golfschuh.

Golfmedico: Ist das Gerät, das ich gerade getestet habe, nicht prädestiniert dafür, auch in Laufschuh- und Golfgeschäften zu stehen?

Dr. Preis: Eher nicht, denn wo soll das Fachpersonal herkommen, das die Geräte bedient? Sie benötigen mindestens einen hervorragend ausgebildeten Physiotherapeuten oder Sportwissenschaftler, denn man muss die Auswertung auch richtig interpretieren können. Früher gab es im Sportfachhandel den Trend, Laufbänder für die Analyse der richtigen Laufschuhe einzusetzen. Das hat sich nicht durchgesetzt, weil die ausgewerteten Parameter einfach nicht ausreichend waren. Man hat dann gesehen, ob jemand eher nach innen oder nach außen abrollt oder ob sich der Schuh „gut anfühlt“. Orthopädische Aussagen konnten daraus nicht abgeleitet werden. Dann würde es auch ausreichen, sich die Abnutzung der Schuhsohlen anzuschauen. Letztlich also eher ein „Marketinginstrument“ der Hersteller, um die eigenen Modelle spektakulärer anzupreisen. Der Fachhandel sollte sich auf die richtigen Größen, Wasserdichtigkeit, Rutschfestigkeit und Atmungsaktivität konzentrieren. Medizinische Empfehlungen sollte man nach korrekter Analyse anderen Fachleuten überlassen.

Golfmedico: Und das Thema Einlagen? Unsexy, aber wichtiger als der richtige Schuh?

Dr. Preis: „Unsexy“ gehört längst der Vergangenheit an! Das Problem ist heute eher, dass sich viele Anbieter auf dem Markt tummeln, die „gesunde, 3D-gefertigte“ Sporteinlagen anbieten, die man online bestellen kann. Dabei passieren die schlimmsten Dinge. Wir wissen heute unter anderem, dass ein Fersenkeil die Probleme bei einer Achillessehnenreizung eher fördert. Eine exzentrische Dehnung ist wichtig, um die Beschwerden zu beheben. Fersenkeile verstärken das Problem eher. Diese werden aber in den Geschäften genau für diese Diagnose angeboten …

Eine Einlage kann direkt nach der Diagnose durch unser System passgenau angefertigt werden. Ohne Diagnose bitte keine Einlage, denn es gilt zunächst herauszufinden, ob Sie ein über die Jahre „kompensiertes System“ haben. Wenn es ohne Beschwerden funktioniert, muss ich mich fragen, ob ich überhaupt eingreifen muss! Erst wenn ein Problem auftritt, wird aus einem vom Körper kompensierten System ein dekompensiertes.

Um auf die Frage zurückzukommen: Ich halte eine gute, individuelle Sporteinlage für unverzichtbar. Absolut gleichwertig mit dem richtigen Schuh.  Diese Kombination sollte für jeden Sportler selbstverständlich sein.

Golfmedico: Angenommen, wir hätten jetzt verschiedene Diagnosen vor uns und Sie müssten jeweils einen Schuh/eine Einlage empfehlen. Worauf müsste der jeweils betroffene Golfer achten? Fangen wir mit dem Hallux valgus an.

Dr. Preis: Beim Hallux Valgus muss ich den Damen leider sagen, dass Komfort vor Design geht. Der Schuh sollte einlagentauglich sein, um das Fußgewölbe durch eine Pelotte (Druckpolster) in der Einlage zu stabilisieren. Hallux-Patienten verlieren die Stabilität des Fußgewölbes. Die Aufrichtkraft geht verloren, weil die Großzehe seitlich ausweicht.  Eine passgenaue Einlagenversorgung ist hier unbedingt anzuraten. In Verbindung mit einem weiten Schuh.

Golfmedico: Was ist mit dem Klassiker Fersensporn und der Plantarfasziitis (Entzündung der Sehnenplatte an der Fußsohle)?

Dr. Preis: Beides sind ähnliche Erkrankungen mit starken, stechenden Schmerzen. Der Fersensporn ist im Prinzip nur die Beschreibung eines Röntgenbildes, denn der Knochen selbst tut nicht weh. Was schmerzt, ist der Ansatz der Sehne an der Knochenhaut. Bei einem hohen Rist ist die Plantarfaszie verkürzt. Hier würden Einlagen mit „Weichbettung“ nicht funktionieren. Leider ist dies oft der erste Ansatz einer Selbsttherapie! Eine Einlage mit Aufdehnung des Hohlfußes dehnt den Ansatz auf. Durch die Einlage arbeitet der Fuß bei jedem Schritt selbstständig an seinem Problem. Nach 1–2 Wochen Eingewöhnungszeit funktioniert das in der Regel einwandfrei.

Golfmedico: Was tun bei Problemen mit der Achillessehne?

Dr. Preis: Achillessehnenprobleme hängen meist mit Instabilitäten im Rückfuß und X- oder O-Fehlstellungen zusammen. Hier muss immer das Zusammenspiel von Fußheber, Innenseitenmuskulatur und Peronealsehnen (stabilisieren das Sprunggelenk) betrachtet werden. Davon hängt dann auch die Empfehlung ab. Es gibt aber eine wesentliche Übung für die Achillessehne: immer wieder den Einbeinstand üben. Zähneputzen auf einem Bein, öfter mal auf einem Bein in der Küche stehen oder auf einem Bein auf die Deutsche Bahn warten! Das stabilisiert alle genannten Muskeln und Sehnen, die die Achillessehne in ihrer Funktion unterstützen.

Golfmedico: Wenn man sich so manchen Golfschuh eines Mitspielers anschaut, fragt man sich oft, ob der nicht besser ins Sportmuseum gehört. Ist das eher gut (im Sinne von „top eingelaufen“) oder eher schlecht (wegen fehlender Dämpfung nach all den Jahren)? Kurz: Wie oft sollte man seine Schuhe wechseln?

Dr. Preis: Die Dämpfung ist nicht das Problem! Unser Körper ist bereits mit einer gut funktionierenden Dämpfung ausgestattet. Außerdem läuft man beim Golf oft auf weichem Boden. Viel wichtiger ist, ob der Schuh noch Halt hat. Eine zu starke Dämpfung kann im Einzelfall sogar zu Problemen führen, zumal der Schuh dann „schwammig“ wird. Probleme im Fuß muss ich am Fuß korrigieren, nicht am Schuh. Allenfalls über die Einlagen, und die sollte man am besten einmal im Jahr wechseln, zumal sie durch Weichmacher & Co. an Spannung verlieren.

Golfmedico: Gibt es abschließend noch spezielle Übungsempfehlungen, die zur Stärkung der Fußgesundheit bei Golfern beitragen können? Sind Faszienroller gut?

Dr. Preis: Um Himmels willen, ich habe schon starke Blutergüsse an den Füßen gesehen! Da macht die Menge eindeutig das Gift. Viele rollen sich die Füße kaputt. Deshalb, wenn überhaupt, einen Igelball für den Fuß nehmen. Aber an die Faszien gehört eigentlich nur ein erfahrener Therapeut.

Golfmedico: Vielen Dank für das Gespräch und den schwachen Trost, dass ich wenigstens keine Plattfüße habe.

 

Dr. Markus Preis
Als Arzt des „Zentrums für Fußchirurgie Wiesbaden“ gehört Dr. Markus Preis zu den Ärzten, die jährlich über 1.000 Fuß- und Sprunggelenkoperationen sowie Prothesen stationär und ambulant durchführen. Das Zentrum für Fußchirurgie ist eines der größten Fußchirurgischen Zentren in Deutschland. Der Orthopäde gehört weltweit zu den fünf erfahrensten Operateuren von Sprunggelenkprothesen. Er ist ambitionierter Tennisspieler in der Hessenliga, hat aktiv Triathlon betrieben und ist mit dem Golfschwung bestens vertraut: Bis zum Ende seines Studiums spielte er leidenschaftlich Golf.

Das Interview zum Download: Interview Golfmedico
Mit freundlicher Genehmigung der GolfMedico