Mai 2020 – Ausgabe 35

Wiederaufnahme von Sport nach stabilisierenden Operationen an der Lendenwirbelsäule

Dr. med. Bernd Wiedenhöfer
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Dr. med. Stefan Matschke

Keywords: Spondylolyse, Pedikel-Insuffizienzfraktur, Spondylolisthesis, Rehabilitation

Stabilisierende und überwiegend versteifende Eingriffe an der Lendenwirbelsäule werden nötig, wenn beispielsweise anlage-verschleiß- oder überlastungsbedingte, auf konservative Therapie nicht ansprechende Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule vorhanden sind. Im Folgen den stellen wir die spezifische operative Behandlung sowie die Prinzipien der Nachbehandlung und die zu erwartende Zeit der Rehabilitation bis zur Wiederaufnahme sportlicher Aktivitäten dar.

Operationen an der Wirbelsäule stellen für Patienten in der Regel eine größere psychische Belastung dar als Operationen am übrigen Bewegungsapparat. Da ist einerseits eine diffuse Angst vor dem minimalen Risiko einer Querschnittlähmung, die wir als Wirbelsäulenchirurgen sehr ernst nehmen. Andererseits sind Symptome für den Laien häufig schwerer zuzuordnen, da sie teilweise nicht so eindeutig nachvollziehbar sind wie etwa ein geschwollenes Kniegelenk als Ausdruck einer Arthrose des betroffenen Knies. Die Indikationsstellung zur Operation an der Wirbelsäule bedarf deshalb neben der detaillierten Aufklärung über das Operationsprinzip und die damit verbundenen Risiken einer klaren Vermittlung des zu erwartenden Ergebnisses sowie eines strukturierten Zeitplans der postoperativen Rehabilitation mit den entsprechenden körperlichen Aktivitäten bis hin zum Sport. Die Patienten sind sehr interessiert an diesen Informationen. Da weltweit die Nachbehandlung in der Wirbelsäulenchirurgie, genauso wie in anderen chirurgischen Disziplinen, nicht leitlinienartigen Prinzipien folgt, ist deren Ablauf für Patienten oft schwer nachvollziehbar. Wir legen großen Wert auf die Vermittlung eines klaren Nachbehandlungsplans mit relevanten Meilensteinen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt der Rehabilitation erreicht werden können.

Spondylose und/oder Pedikel-Insuffizienzfraktur

Die Diagnose der Spondylolyse und/oder Pedikel-Insuffizienzfraktur manifestiert sich durch Schmerzen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule, die bevorzugt bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen auftreten. Alle haben gemein, dass sie regelmäßig mehrfach wöchentlich aktiv Sport, teilweise auf sehr hohem Niveau, betreiben. Ursache sind entweder durch eine Anlagestörung oder wiederholte geringfügige Traumata hervorgerufene Überlastungsreaktionen, die zu einer Instabilität der Lendenwirbelsäule, vorzugsweise des untersten Lendenwirbelkörpers, dem 5. Lendenwirbelkörper, führen. Es können entweder Unterbrechungen der Wirbelbögen entstehen (Spondylolyse) und/oder Ermüdungsbrüche der Bogenwurzeln (Pedikel), die zu konservativ über Monate therapieresistenten, lang andauernden Schmerzen und Sportunfähigkeit führen. Zu den Risikosportarten zählen u. a. Sportarten wie Fußball, Handball, Ballettsport, Rudern, Speerwurf, Gewichtheben und Ski alpin. Bei frustraner konservativer Therapie mit Krankengymnastik, Sportverbot, Schmerzmedikation und bedarfsweise einer äußeren Stabilisierung mit einer Orthese über mindestens 3 Monate ergibt sich in etwa für 20% der Betroffenen die Notwendigkeit zur operativen Stabilisierung. Diese Stabilisierung kann bei unauffälliger Darstellung der Bandscheibe und fehlenden Verschleißveränderungen im Bereich der Wirbelgelenke die Bewegung erhaltend durch eine modifizierte Direktverschraubung nach Morscher erfolgen. Bei diesem Verfahren werden Schrauben durch die Bogenwurzel in den Wirbelkörper eingebracht und danach mit einem Hakensystem, das unter dem Wirbelbogen eingehängt wird, unter Kompression verspannt. Parallel wird – sofern vorhanden – die Unterbrechung des Wirbelbogens angefrischt, um sie unter dieser Kompression zur knöchernen Ausheilung zu bringen. Die knöcherne Ausheilung benötigt etwa sechs Monate. Das Ergebnis der Operation ist aber vom Operationstag an stabil für Bewegungen und Belastungen. Die Mobilisation erfolgt bereits ab dem Tag der Operation unter krankengymnastischer Anleitung. Nach einem stationären Aufenthalt von 4 bis 5 Tagen kann das Krankenhaus sicher verlassen werden. Äußere Hilfsmittel wie Mieder, Korsette oder Gehstützen werden nicht benötigt. Die ersten vier Wochen nach der Operation konzentrieren sich krankengymnastisch auf Gehschule und Koordinationsförderung. Nach Fadenzug zwischen dem 12. und 14. Tag können im Rahmen der Physiotherapie der Fahrradergometer und der Crosstrainer bereits eingesetzt werden. Auch forciertes Gehen, wie Nordic Walking, ist zu diesem Zeitpunkt bereits möglich. Auch ist es möglich, nach dieser Zeit bereits zu schwimmen.

Nach 4 Wochen beginnt die intensivierte Rehabilitation mit Krankengymnastik, manueller Therapie, Ergotherapie und ergänzendem Gerätetraining. Dabei wird zu Beginn auf geringe Gewichte und hohe Frequenzen geachtet. Das Heben und Tragen von Lasten ist in den ersten 3 Monaten auf 5 kg begrenzt. Nach Abschluss der intensivierten Rehabilitation mit einer Dauer von 3-4 Wochen folgt dann erneut Krankengymnastik am Gerät.Parallel dazu kann bereits mit erweiterten sportlichen Aktivitäten wie Fahrradfahren im Außenbereich und leichtem Joggen auf dem Laufband oder auf gedämpftem Boden (beispielsweise eine Tartanbahn) begonnen werden. 3 Monate postoperativ kann das Gewicht auf 10 kg gesteigert werden und das Training intensiviert werden. Die Schwerpunkte liegen zu diesem Zeitpunkt auf Lauftraining und Techniktraining. Nach 5 bis 6 Monaten kann bei Mannschaftssportarten in das Alltagstraining wieder eingestiegen werden. Kontaktsportarten wie Fußball oder Handball sollten unter Wettkampfbedingungen erst nach 9 Monaten wieder bestritten werden.

Unsere Patienten erzielten im Kontext mit der Literatur nach diesem Konzept im angegebenen Zeitraum zu 90 % die Re-Integration in die vorher ausgeübte Sportart.

Operative Stabilisierung bei Spondylolisthesis

Die Mehrzahl der notwendigen operativen Stabilisierungen betrifft verschleißbedingte Veränderungen in der Lendenwirbelsäule, die meist eine Kombination aus schmerzhaftem Verschleiß der Wirbelgelenke, Höhenverlust der Bandscheiben mit und ohne Vorwölbung und eine Einengung des Rückenmarkskanals und/oder der Nervenwurzelabgänge. Optional sind verschleißbedingte Gefügelockerungen und Instabilitäten zwischen zwei benachbarten Wirbelkörpern vorhanden, die teilweise einen starken horizontalen Versatz zwischen den Hinterkanten der Wirbelkörper zeigen. Dadurch wird ebenfalls eine Einengung und Druck auf die Strukturen im Rückenmarkkanal erzeugt. Man spricht dann vom Wirbelgleiten oder von einer Spondylolisthesis Die Indikation zu operativen Maßnahmen wird hier ebenfalls durch konservative Therapie nicht zugänglichen Rücken- und/oder Beinschmerzen gestellt. Die Patienten sind naturgemäß im mittleren bis fortgeschrittenen Lebensalter. Bei diesen Patienten stellen sich in der Regel andere Anforderungen an sportliche Aktivitäten. Leistungssport wird eher selten betrieben. Bevorzugte Sportarten sind Schwimmen, Fahrradfahren, Wandern respektive Bergwandern, Tennis oder Golfsport.

Die letztgenannten Sportarten zeichnen sich biomechanisch durch hohe Rotations- und Scherkräfte im Übergang zwischen der Lendenwirbelsäule und dem Becken aus. Die durchgeführte stabilisierende Operation, bei der die hintere Säule durch eine Rahmenkonstruktion mit einem Schrauben-Stab-System abgesichert, das Bandscheibenfach ausräumt und über einen sogenannten Cage von innen abgestützt wird, ist im behandelten Segment nicht Bewegung erhaltend wie das oben dargestellte Verfahren bei Jugendlichen. Es handelt sich um eine versteifende Operation. Das hat Auswirkungen auf die Länge der Nachbehandlung. Der Beginn der postoperativen Rehabilitation ist jedoch absolut identisch zur oben angegebenen Therapie. Die Mobilisation ist grundsätzlich auch ab dem Operationstag möglich. Teilweise erfolgt sie jedoch erst am Folgetag. Das Behandlungsergebnis ist, wie bei der Direktverschraubung, sofort stabil für Bewegungen und die krankengymnastische Übungstherapie. Hilfsmittel wie Mieder oder Korsette kommen auch nach diesem Verfahren nicht zur Anwendung. Die Mobilisation erfolgt im Krankenhaus unter krankengymnastischer Anleitung. Dabei können auch Nordic-Walking-Stöcke eingesetzt werden, die in diesem Falle nicht zur sportlichen Aktivierung, sondern zur zusätzlichen Sicherung eines natürlichen Gehens genutzt werden. Auch bei diesem Verfahren liegt der Schwerpunkt in den ersten 4-6 Wochen auf Koordinationsförderung und Gehschule. Bereits nach Fadenzug kann auch mit Anwendung im Wasser oder mit Schwimmen begonnen werden. Die Hebe- und Traglast ist in den ersten 3 Monaten auf 5 kg beschränkt. Die intensivierte Rehabilitation beginnt ebenfalls nach 4-6 Wochen nach dem gleichen Konzept wie oben. Im Anschluss an die intensivierte Rehabilitation ist das Fahrradfahren im Außenbereich sicher möglich. Wanderungen mit leichtem Gepäck sind dann ebenfalls möglich. Leichtes Joggen sollte erst frühestens nach 12 Wochen auf gedämpftem Untergrund begonnen werden.

Sportliche Rotationsbewegungen der Lendenwirbelsäule jenseits von Alltagsbewegungen sollten für 6 Monate postoperativ unterbleiben. Nach Sicherung durch eine radiologische Kontrolle kann ab diesem Zeitpunkt behutsam begonnen werden, diese unter Aufsicht wieder aufzunehmen. Realistisch zeigt sich aus den Befragungen zur Wiederaufnahme des Tennissports, dass nur etwa die Hälfte diese intensive Sportart mit häufigen Stopps und Richtungsänderungen wieder aufnimmt. Die Anzahl derer, die das Golfen wiederaufnehmen, liegt höher. Im angegebenen Zeitraum der Rehabilitation erreichen bis zu 70 % die Fähigkeit, den Sport wieder auszuüben, wobei bzgl. der benötigten Zeit eine größere Varianz besteht als bei der Bewegung erhaltenden Stabilisierung bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Fazit

Zusammenfassend zeigt sich klar, dass ein detailliertes Aufklärungsgespräch, das nicht nur die Operationstechnik erläutert, sondern auch die Nachbehandlung beleuchtet und gemeinsame Ziele definiert, die Rückkehr zum Sport auch auf dem vorhergehend ausgeübten Niveau ermöglicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass mit zunehmendem Alter und Komplexität der ausgeübten Sportart eine höhere Gefahr besteht, dass dieser Sport nicht wieder ausgeübt werden kann.