Oktober 2021 – Ausgabe 38

Das schnappende Kniegelenk beim Kind – der Scheibenmeniskus, eine Normvariante

Dr. med. Susanne Weber

Dr. med. Steffen Thier
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Keywords: Scheibenmeniskus, schnappendes Kniegelenk, Kind, operative Therapie, Meniskusteilresektion, Meniskusrekonturierung

Ein stabiler Scheibenmeniskus ist häufig asymptomatisch und daher ein Zufallsbefund. Treten Beschwerden auf, ist eine arthroskopische Therapie erforderlich, bei der möglichst viel Meniskusgewebe erhalten und der Meniskus stabilisiert werden soll.

Die Menisken haben eine Schlüsselrolle für die Funktion des Kniegelenks und den Schutz des Knorpels. Mit ihrer Sichelform und dem keilförmigen Querschnitt erhöhen sie die Gelenkkongruenz und stabilisieren das Kniegelenk. Sie dienen der Schockabsorption (Puffer), der Kraftverteilung, der Ernährung des Knorpels und verbessern die Propriozeption (Feinkoordination).

Der Scheibenmeniskus ist eine angeborene Variante, der sich vom normalen Meniskus sowohl in der Form und Befestigung als auch in der strukturellen Zusammensetzung unterscheidet. Er liegt als mehr oder weniger vollständige Scheibe zwischen Femur und Tibia mit fehlender oder reduzierter zentraler Aussparung. Ein Scheibenmeniskus ist für eine Rissbildung anfälliger und weist häufig eine Instabilität auf. Gründe hierfür sind seine Größe, seine schlechtere Durchblutung der Peripherie, seine veränderte Kollagenstruktur und seine oftmals fehlende periphere Befestigung [1, 2]. Der Scheibenmeniskus hat bei uns eine Inzidenz von 3-5 % [3, 4], in der asiatischen Bevölkerung von 10-15 % [5]. Er befindet sich fast ausschließlich im lateralen Kompartiment und ist in 15-25 % in beiden Kniegelenken zu finden [6].

Die Kenntnis möglicher pathologischer Veränderungen des Scheibenmeniskus und eine sorgfältige Therapieplanung mit gründlicher klinischer Untersuchung und MRT-Befundung sind unersetzlich für eine erfolgreiche Behandlung.

Klinik

Ein stabiler Scheibenmeniskus ist häufig asymptomatisch oder präsentiert sich meist durch ein weitestgehend schmerzfreies Klicken und stellt eher einen Zufallsbefund dar.

Die typischen Symptome wie Schmerzen, Schnappphänomene, Ergussbildung, Schwellung auf der Knie-Außenseite bei endgradiger Beugung oder ein Streckdefizit zeigen sich beim instabilen oder gerissenen Scheibenmeniskus. Häufig ist der Beginn der Beschwerden nicht traumaassoziiert.

Kinder unter zehn Jahren klagen meist über mechanisch bedingte Symptome wie Schnappen oder ein Streckdefizit des betroffenen Kniegelenks (Meniskuseinklemmung). Schmerzen stehen meist nicht im Vordergrund.

Diagnostik

Nach dem klinisch meist eindeutigen Befund erfolgt die MRT-Bildgebung zur Bestätigung der Diagnose. Im MRT können unter anderem die Meniskusform, die Stabilität sowie Rissbildungen und weitere Verletzungen detektiert werden.

Diagnostische Kriterien hinsichtlich des Scheibenmeniskus sind:

  • ein Verhältnis von minimaler Meniskus-breite zu maximaler Tibiabreite von über 20 % in den koronaren Aufnahmen
  • die prozentuale Tibiabedeckung von > 75 % als Verhältnis der Summe der Breite von Vorder- und Hinterhorn zum maximalen Durchmesser des Meniskus in den sagittalen Aufnahmen
  • eine verbreiterte Pars intermedia in den koronaren Aufnahmen auf >15 mm
  • eine Kontinuität zwischen Vorder- und Hinterhorn als Dicke > 5 mm in mindestens 3 aufeinanderfolgenden sagittalen Schnittbildern [7]

Die Instabilität aufgrund von fehlender peripherer Befestigung kann sich durch eine Verschiebung des Meniskus zeigen, diese besteht typischerweise nach an-tero-/posterozentral oder zentral [8].

Klassifikation des Scheibenmeniskus nach Watanabe [9]:

Typ 1
Kompletter Scheibenmeniskus, Tibiaplateau zu >80 % bedeckt. Mechanisch stabil, normale posteriore Befestigung.

Typ 2
Inkompletter Scheibenmeniskus, Tibiaplateau zu <80 % bedeckt. Mechanisch stabil, normale posteriore Befestigung. Typ 3
Sonderform = Wrisberg-Typ
Meniskus häufig normal konfiguriert (halbmondförmig). Mechanisch instabil bei fehlender posteriorer Befestigung, nur Wrisberg-Ligament.

Einteilung

Die klassische Einteilung des Scheibenmeniskus erfolgt arthroskopisch nach Watanabe in drei Gruppen nach dem Ausmaß der Bedeckung des Tibiaplateaus (vollständig/teilweise) und der Stabilität basierend auf der Verankerung [9].

Aufgrund der klinischen Relevanz wurden in anderen Klassifikationen auch die Ergebnisse aus der klinischen Untersuchung und der MRT-Diagnostik erfasst. Um das Ausmaß der Veränderungen des Scheibenmeniskus, die Entscheidungsfindung hinsichtlich der Therapie und den ggf. notwendigen operativen Eingriff einschätzen zu können, bieten sich folgende Kriterien an:

  • Morphologie des Scheibenmeniskus (vollständig/teilweise)
  • periphere Stabilität (stabil/instabil)
  • mögliche Rissbildung
  • Alter bei Symptombeginn.

Therapie

Häufig ist die Klinik des Scheibenmeniskus asymptomatisch und das Kniegelenk adaptiert sich mit guter Funktion an den Scheibenmeniskus.

Eine operative Therapie ist nicht indiziert; auch bei asymptomatischer kontralateraler Seite nicht.

Jugendliche/junge Erwachsene können ein Klicken oder Schnappen ohne weitere Symptome aufweisen. Hier handelt es sich meist um einen unvollständigen Scheibenmeniskus, der zunächst klinisch beobachtet werden kann.

Unterschiedlich diskutiert wird die Situation bei Kindern unter zehn Jahren. Das isolierte Schnappen oder die tastbare Vorwölbung lateral sind häufig ein Zeichen für einen kompletten Scheibenmeniskus, der deutlich rissanfälliger ist und daher teilweise direkt einer Operation zugeführt wird [6]. Wir schließen uns der Meinung an [17], dass bei isoliertem Schnappen, aber vollem Bewegungsausmaß ohne Schmerzen zunächst abgewartet werden kann.

Bei Schmerzen oder Blockade des Kniegelenks besteht die Indikation zur operativen Therapie.

In der Vergangenheit wurde der Scheibenmeniskus durch eine totale/subtotale Meniskusresektion behandelt, hierbei konnten im Verlauf vielfach degenerative Veränderungen nachgewiesen werden, die in einer Arthrose des lateralen Kompartiments resultierten [10, 11, 12, 13].

Die heutigen Ziele der operativen Therapie des Scheibenmeniskus umfassen:

  1. Erhalt von möglichst viel Meniskusstruktur unter Wiederherstellung der anatomischen Form des Meniskus durch eine Meniskusrekonturierung/ Meniskusteilresektion
  2. Stabilisierung des Meniskus durch Meniskusnaht und/oder Refixation der Meniskusbasis
  3. Rechtzeitiger Eingriff, bevor zu viel Meniskusgewebe zerstört und die ersten beiden Ziele nicht mehr erreichbar sind.

Nachbehandlung

Nach isolierter Meniskusteilresektion ist keine Einschränkung hinsichtlich des Bewegungsausmaßes oder der Belastung gegeben.

Bei Meniskusnaht/-refixation ist eine restriktive Nachbehandlung zum Einheilen des Meniskus angezeigt. Bei Kindern unter sechs Jahren erfolgt für vier Wochen eine Ruhigstellung des Kniegelenks im Oberschenkelgips. Bei älteren Kindern/ Jugendlichen wird zur Limitierung der Bewegung für sechs Wochen eine Orthese getragen, zunächst mit einer Limitierung auf 30° Beugung und nach drei Wochen auf 90° Beugung bei voller Streckung. Außerdem ist eine Teilbelastung (von 15- 20 kg) an Unterarmgehstützen für sechs Wochen notwendig. Physiotherapie erfolgt ab dem ersten postoperativen Tag. Eine Wiederaufnahme des Sports mit geringer Aufprallbelastung kann nach zwölf Wochen erfolgen, die volle sportliche Belastung nach sechs Monaten bei freier Funktion.

Fazit

Insgesamt haben die Fortschritte der arthroskopischen Chirurgie dazu beigetragen, das Risiko der Entwicklung einer lateralen Arthrose des Kniegelenks, das durch die subtotale oder totale Meniskektomie bestand, zu reduzieren. Daher hat bei der operativen Therapie des symptomatischen Scheibenmeniskus der Erhalt von möglichst viel Meniskusgewebe durch Meniskusrekonturierung und -teilresektion höchste Priorität, ebenso die Schaffung eines stabilen Meniskus durch Meniskusnaht und durch eine stabile Meniskusaufhängung. Die Fünf- und Zehnjahresuntersuchungen zeigen gute und sehr gute Ergebnisse; Langzeitergebnisse stehen noch aus und müssen in weiteren Studien ausgewertet werden [10, 12, 14, 15, 16].